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Ende der Opferung

9. 10. 2009 - Jiří Silný

Johannes 8, 44
Ihr seid Kinder des Teufels, der ist euer Vater, und nach seinen Wünschen handelt ihr. Er ist von Anfang an ein Mörder gewesen und hat niemals auf der Seite der Wahrheit gestanden, weil es für ihn keine Wahrheit gibt. Wenn er lügt, so entspricht das seinem Wesen; denn er ist ein Lügner, und alle Lüge stammt von ihm. (Die gute Nachricht)
1. Mose (Luther)
22,1 Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham….
22, 9 -12
Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachte.
Da rief ihn der Engel des Herrn vom Himmel und sprach: Abraham! Abraham! Er antwortete: hier bin ich.
Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiss ich, dass du Gott fürchtest und hast deinen einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen.

Der Predigttext, den ich gewählt habe, spricht über Opfer. Ich habe bei der Vorbereitung Hilfe in den Arbeiten von Kuno Füssel und Iris Marion Young gefunden.
Das Opfer als religiöse Handlung begleitet die Menschheit in allen Kulturen seit den Anfängen und allgemein kann man sagen, dass die Opferung der Verbindung zwischen Menschen und Göttern dient. Die Kulturen und die Götter sind verschieden und verlangen auch unterschiedliche Opfer. Die Bibel trennt scharf zwischen dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, dem Vater von Jesus und allen anderen Gottheiten. Sie nennt die anderen Götzen. Götzen sind der Bibel nach von Menschen geschaffene virtuelle, durch Lüge und Täuschung wirksame Mächte. Trotzdem sind sie mächtig, sie können sogar Menschenopfer verlangen.
Auch in der heutigen säkularen Welt, die scheinbar für die Alltagsgeschäfte keinen Gott braucht, sind Opfer sehr wichtig. Wenn sie mit einem so gottlosen Instrument wie der Google-Suchmaschine nach Opfern Fragen, werden sie millionenfach fündig.
Es sieht so aus, als ob das Opfer, opfern, Opfer bringen und Opfer sein das normalste ist. Zum Beispiel:
Hohe individuelle Mobilität verlangt Verkehrsopfer, die aber statistisch gesehen marginal sind.
Der vierhundert-prozentige Anstieg der Kriminalität mit ihren vielen Opfern ist der Preis der Freiheit, haben wir in den Neunzigern Jahren bei uns gelernt.
Höhere Interessen und Werte des Volkes oder der jeweiligen Zivilisation und Religion verlangen Menschenopfer in Kriegen und Kämpfen.
Die unsichtbare Hand des Marktes und die Sachzwänge der Wirtschaft verlangen wirtschaftliche Opfer. Besonders in der Krise müssen alle Opfer bringen: An noch mehr Luxus oder eben am Verzicht auf das Überleben. Jeder an dem Ort, wo wir durch Gottes Fügung oder durch Zufall gerade leben.
Nichts ist umsonst, das Wachsen des Wachstums, der Fortschritt hat seinen Preis, man kann nichts machen, so ist die Welt, hören wir. So reden die Priester der Götzen. So verblendet uns der große Lügner und Mörder.
Und was sagen die Opfer dazu? Bei den Versuchstieren werden oft zuerst die Stimmbänder entfernt, damit die Stimme, die ihren Schmerz ausdrückt bei der Forschung nicht stört. Ja die stummen Opfer sind die besten. Gut ist, die Opfer zu überzeugen, dass sie selber schuld sind. Die Opfer der strukturellen Arbeitslosigkeit können als Faulenzer und Schmarotzen dargestellt werdenund viele schämen sich auch, weil sie sich als unfähige Verlierer fühlen.
Eine andere gute Methode besteht darin, einen Sündenbock zu finden. Zum Beispiel: Die Ausländer sind Schuld. Wichtig ist auch: Nicht aufatmen lassen. Die Opfer der Jahrhunderte des Kolonialismus und der Jahrzehnte der Globalisierung im Süden sollen jetzt noch die Kosten der Klimakatastrophe tragen – sie haben sich ja als Opfer vorzüglich bewährt. So handeln die Priester der Götzen.
Bei der Tagung haben wir uns versammelt als Menschen, die glauben, dass eine andere Welt möglich und notwendig ist und die wenigsten zum Teil dafür Kraft und Inspiration im christlichen Glauben suchen. Und tatsächlich kann man sagen, dass das Hauptthema der Bibel die Überwindung des Teufelskreises der Opferungen ist, auch wenn dass nicht immer gleich klar ist und auch wenn die Kirchengeschichte oft genug das Gegenteil bewies.
Wir haben ein der ältesten Beispiele dieser Ambivalenz gelesen. Die Geschichte über die fast erfolgte Opferung Isaaks durch seinen Vater Abraham, den Vater des Glaubens, ist bekannt. In der Bibel steht, dass Gott Abraham versucht, seinen Glauben prüft. Er soll durch die Bereitschaft, das Kostbarste zu opfern, seinen Glauben beweisen. Das Kostbarste ist führ ihn sein Sohn und er zeigt sich bereit, ihn zu opfern. Gott ist dann so gnädig, dass er dieses Opfer doch nicht geschehen lässt.
Diese Geschichte verursacht ein gewisses Unbehagen und viele Menschen stößt sie ab. Was für ein Gott kann so mit seinen Menschen spielen? Das soll ein liebender Vater, der Schöpfer des Lebens sein?
Wie wäre es wenn wir die Geschichte von dem Ende her deuten? Wie wäre es, wenn diese Opfergeschichte einen Beweis des Glaubens anderer Art darstellt? Dass gerade der Glaube Abraham dazu anleitet, Isaak nicht zu opfern, nachdem ihn die Versuchung fast zum Mörder machte? Sonderbar zu denken, dass die Stimme der Versuchung, die zum Opfer des Sohnes anleitete, die Stimme Gottes sein sollte. Könnte es nicht die Stimme des Teufels, des Vaters der Lüge sein, wie später der Autor des Buches Job einen ähnlichen Test des Glaubens deutete? Dann würde erst die zweite Stimme, die Stimme des Engels, Gott gehören, die Stimme, die Menschenopfer verbietet. Ist die Interpretation zu beliebig?
In dieser Logik wird der Sinn des Opfers nicht in der Besänftigung der grausamen und unberechenbaren Gottheit durch Bereitschaft zum Menschenopfer gesehen, auch nicht in einem Tauschgeschäft - ich gebe, damit du gibst -, sondern als Opfer der destruktiven Neigungen des Herzens, als Metanoia, als eine Wandlung zu mehr Menschlichkeit in dem Sinne des Spruches von Ireneus aus Lyon: Gloria dei, homo vivens – der Ruhm Gottes bedeutet, dass die Menschen leben können. Deshalb die Menschwerdung Gottes, deshalb die Verheißung des Lebens in Fülle, deswegen der Tod Jesu, des Unschuldigen, als Ende der Opferung.
Aber gerade dieser befreiende Glaube bringt keine schnellen und einfachen Lösungen. Es geht um die Befreiung der Opfer und der Täter zugleich, obwohl für beide die Befreiung verschieden aussieht. Wir haben währen der Tagung in einer Arbeitsgruppe viel über individuelle Sünde, Schuld und Vergebung gesprochen, dass tut ja die Kirche laufend, aber wir haben uns mit den Situationen schwer getan, wo die Lage nicht übersichtlich ist. Wenn es nicht möglich ist genau zwischen Opfern und Tätern zu unterscheiden. Manchmal sind wir beides gleichzeitig oder nacheinander, weil es nicht nur um die individuelle sondern auch um die strukturelle Sünde geht, die uns alle bedroht, in der wir alle mehr oder weniger verstrickt sind. Wie kann dann eine Befreiung aussehen, die uns vor Resignation und Verzweiflung auf der einen und vor Zynismus auf der anderen Seite bewahrt? Wie sieht unsere Verantwortung in sozialen Beziehungen aus?
Wir können ein Beispiel aus unserer Tagung nehmen: die Situation in der Produktionskette der Textilindustrie, in der auf der einen Seite die asiatischen oder osteuropäischen Sweatshops und auf der anderen die schicken Modegeschäfte mit reichen Kunden stehen. Es ist ein bekanntes Beilspiel der strukturellen Ungerechtigkeit, gegen die die bekannte Clean Clothes Campaign kämpft. Die Frage ist, wo liegt die Verantwortung. In wenigen Fällen ist es möglich, die konkrete Verantwortung zu finden, eine konkrete Person oder eine konkrete Firma, die Gesetze verletzt und einen Schaden kausal verursacht haben, auf den Strafe und Besserung folgen können. Komplizierter ist es mit der Verantwortung, die in den sozialen Beziehungen durch die Beteiligung an ungerechten Strukturen liegt. Strukturen, die in der Zukunft zu weiteren Schäden, weiteren Opfern führen können. In so einer Situation sind wir, wenn wir z. B. die Waren, die unter unmenschlichen Bedingungen produziert wurden, kaufen. In diesem Falle ist unsere Verantwortung eine politische und wir können diese Verantwortung nur durch eine kollektive Handlung wahrnehmen. Die Verantwortung ist jedoch nicht gleich verteilt: Die mehr von dem ungerechten Zustand profitieren, tragen mehr Verantwortung (nicht unbedingt mehr Schuld), weil es für sie einfacher ist, gerechtere Bedingungen zu gestalten (z. B. für die Waren mehr zu bezahlen). Profiteure der ungerechten Strukturen wie die Verbraucherinnen und Verbraucher haben mehr Möglichkeiten, sich zu organisieren und wirtschaftlichen und politischen Druck auszuüben. Dieses Konzept der sozialen Verantwortung setzt auch die Beteiligung der Opfer der Ungerechtigkeit, die auch eine Verantwortung für die Verbesserung ihrer Lage tragen, voraus. Eine erfolgreiche Kampagne für die Überwindung der strukturellen Ungerechtigkeit hat dann, wie eine der Referentinnen unsere Tagung, Sonja Lokar, schön sagte, Gestalt eines Sandwiches: Sie wird von unten und von oben geführt, von dort und von hier gleichzeitig.
Anstatt über die strukturelle Ungerechtigkeit oder strukturelle Sünde können wir bildhaft über Götzen wie den Mammon reden. Ungerechte und gewalttätige Institutionen und Systeme von Wirtschaft und Politik stellen sich hier, obwohl von Menschen geschaffen, als unpersönliche Kräfte dar. Wir müssen diese Lüge entlarven. Dann können wir sie durch gemeinsames Handeln überwinden. Dazu brauchen wir den befreienden Glauben der uns von der Gefangenschaft des Egoismus, Zynismus und der Resignation zur Liebe, Hoffnung und Solidarität führt. Wir sind zu dieser anspruchsvollen Ganzheit, zu einem Leben in Fülle berufen.







 

 
 
 
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